Social Media Recruiting: Ist das was fürs Handwerk?
Mitarbeiter finden über soziale Netzwerke
Schon wieder keine Bewerbung auf dem Schreibtisch? Mit der richtigen Social-Media-Strategie bereiten Handwerksbetriebe der Flaute ein Ende. Was taugen Facebook, Xing & Co. bei der Mitarbeitersuche? Welche Kanäle machen für Handwerksbetriebe Sinn? Und wie läuft Social Media Recruiting bei anderen Betrieben aus dem Handwerk ab?
Daniel Golz ist das, was man heute einen Influencer nennt. Der Friseur aus Bremen steckt nach eigener Schätzung schon 50 Prozent seiner Arbeitszeit in die sozialen Netzwerke. Golz lädt Videos auf Youtube hoch, veröffentlicht Fotos auf Instagram,postet Tipps bei Facebook. „Das mach’ ich alles zu hundert Prozent alleine“, sagt er. Auf Facebook hat der gebürtige Rügener mittlerweile fast 80.000 Fans – eine gigantische Reichweite, die er innerhalb von drei Jahren aufgebaut hat.
Pro Monat bekommt der Friseur-Blogger ca. 30 Anfragen von potenziellen Bewerbern und Azubis, schätzt er. Habt ihr Stellen frei? Wie viel verdient man? Was muss ich tun, damit ihr mich einstellt? „Vorher hat es gar keiner gemacht. Definitiv nicht“, erinnert er sich.
Social Recruiting: Immer mehr Handwerker suchen Mitarbeiter über Social Media
Über Social Media zu neuen Mitarbeitern – das dürfte angesichts niedriger Bewerberzahlen quer durch die Gewerke eine verlockende Vorstellung sein. „Wir suchen extrem stark ganz viele Auszubildende“, sagt Golz. „Und haben dabei genau die gleichen Probleme, die jeder Salon hat.“
Längst nicht jeder Handwerker hat indes die Kapazitäten – und die Lust – sich bei Facebook und Co. auszutoben. „Das Thema Social Media wird im Handwerk sehr wohl wahrgenommen. Aber die Notwendigkeit, es auch professionell anzugehen und zu betreiben, sehen die meisten nicht,“ sagt Krischan Kuberzig, der als Social-Media-Berater regelmäßig Vorträge vor Unternehmen hält.
Doch so allergisch scheinen die meisten Handwerker in Deutschland gar nicht auf das Internet zu reagieren. Eine Untersuchung von Master-Studenten der Frankfurter Goethe-Universität ergab im April, dass 60 Prozent aller Frankfurter Handwerker auf soziale Netzwerke zurückgreifen, wenn sie auf Mitarbeitersuche sind. Erstaunlich: Entgegen der Hypothese sind es nicht nur größere Betriebe, die ihren Fachkräftemangel über Social Media decken wollen. Kleine Ein-Mann-Betriebe sind bei Facebook und Xing sogar aktiver als größere.
Vor allem betreiben Handwerker Netz-Screening. Auf deutsch: Sie spionieren ihre Bewerber aus, um mehr über sie zu erfahren. Welche Hobbys hat er oder sie? Wofür interessiert er sich? Passt er zu uns? „Die E-Rekrutierung ist kostengünstiger als das Schalten von Anzeigen in Tageszeitungen und kann flexibel eingesetzt werden“, so Julia Sauer, die an den Betriebsbefragungen der Goethe-Uni in Frankfurt beteiligt war. Aber stimmt das wirklich?
Facebook: Großer Aufwand notwendig
Wer nämlich bei Facebook Azubis und Fachkräfte anlocken will, muss in der Regel einen enormen Aufwand betreiben. Laut Studie der Jobbörse Monster nutzen gerade einmal 1,1 Prozent der Top-1000-Unternehmen in Deutschland Facebook zur Identifikation und Direktansprache interessanter Kandidaten. Denn: Wer bei Facebook nicht vernetzt ist, kann auch nicht miteinander kommunizieren. Die Interessenten müssen schon von alleine kommen. Also hilft nur eins: Reichweite aufbauen, so wie Daniel Golz.
Der Betrieb muss zunächst eine Fanpage aufsetzen, sie regelmäßig mit Inhalten füllen, Likes generieren, kommunizieren, interagieren, reagieren. „Das kostet Zeit oder Geld. Oder Zeit und Geld“, weiß Kuberzig. „Viele Unternehmen denken ja ungefähr so: ‚Ich mach jetzt mal eine Facebook-Seite und am nächsten Tag hab‘ ich 1.000 Fans und 100 Bewerber‘. Das ist natürlich Unsinn. Man erzielt selbst mit einer tollen Strategie erst mittel- bis langfristig einen Effekt.“
Interessante Inhalte, mit denen Handwerker ihre Facebook-Seite gestalten können, gibt es durchaus zur Genüge: Kurzporträts der Mitarbeiter, Interviews, Brancheninfos, Fallstudien. Aber, so Kuberzig: „Wer auf Facebook für sich werben will, muss auch schreiben können. Und zwar so schreiben, dass es bei der Zielgruppe ankommt.“ Die Erfolgsaussichten hängen dabei nicht unwesentlich von der Branche ab. Die größten Erfolgsgeschichten gibt es vor allem von Friseuren und Malern – zwei Gewerken mit künstlerischer Note, die viel Stoff für schöne Bilder, Videos und Geschichten liefern.
Als Social-Media-Musterknabe gilt etwa der Malerbetrieb Heyse aus Hannover. Und dennoch: Heyse kommt gerade einmal auf knapp 5.000 Facebook-Fans. Dachdeckern oder Klempnern dürfte es noch weitaus schwerer fallen, große User-Zahlen zu generieren. Kuberzigs Fazit: „Wenn es darum geht, nur eine Stelle zu besetzen, dann würde ich nicht den Aufwand betreiben, eine Facebook-Seite aufzusetzen. Das steht in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis. Wenn ich aber immer mal wieder neue Fachkräfte oder Azubis brauche, dann macht das Sinn.“
Xing: Handwerker unterrepräsentiert
Deutlich einfacher ist die Mitarbeitersuche über Xing und Linkedin – Netzwerke, die speziell für diesen Zweck konzipiert wurden. Hier kann man einem Kandidaten ganz einfach eine persönliche Nachricht schicken und auf jeglichen Mehraufwand verzichten. Nachteil aber aus Handwerker-Sicht: Die Business-Netzwerke sind eher auf Akademiker ausgerichtet. Laut offizieller Xing-Statistik haben 34 Prozent der Mitglieder einen Fach- oder Hochschulabschluss, 27 Prozent kommen aus den Bereichen IT, Finanzen, Handel. Eine Stichprobe ergibt in der Tat: Key Account Manager gibt es bei Xing zehntausendfach, Dachdecker aber nur 3.725.
Und der Mikroblogging-Dienst Twitter? Laut Monster-Studie schalten 6,1 Prozent der befragten Unternehmen Stellenanzeigen auf Twitter, aber gerade einmal 2,8 Prozent der Jobkandidaten suchen auf Twitter danach. Das El Dorado sieht aus Personalersuche anders aus.
Friseur-Blogger Daniel Golz ist mittlerweile sogar bei Snapchat aktiv, hat dort ca. 1.800 Fans. Snapchat ist gerade bei der ganz jungen Zielgrupe, den 14- oder 15-Jährigen, groß in Mode. Als Recruitingportal ist Snapchat aber genauso wenig geeignet wie die Foto-Community Instagram, meint Kuberzig. Zu groß der Aufwand, zu gering der Ertrag. „Ich würde keinem Handwerksbetrieb dazu raten, bei Snapchat aktiv zu werden, um neue Mitarbeiter anzuheuern. Für Handwerker bietet sich, was Social Media Recruiting betrifft, am ehesten Facebook an.“
Das sieht auch Daniel Golz so. „Bei mir macht es Sinn, weil ich eine große Reichweite habe.“ Seinen letzten Azubi habe er aber trotzdem ganz klassisch über das Arbeitsamt gefunden.
7 Tipps für Social Media
Strategie entwickeln: Definieren Sie die Ziele, die Sie erreichen und die Inhalte, die Sie posten wollen. Im besten Fall gehört ein Redaktionsplan dazu.
Kanäle festlegen: Man muss nicht auf allen Social-Media-Kanälen vertreten sein. Sondern nur da, wo die Zielgruppe ist.
Verantwortlichkeiten festlegen: Soll sich der Chef persönlich um Social Media kümmern oder ein fähiger Mitarbeiter, ein Freiberufler oder sogar eine Agentur?
Schnell reagieren: User erwarten schnelles Feedback. Das sollte bedenken, wer in den sozialen Netzen aktiv wird.
Branchen bewerben: Handwerker können in den sozialen Netzen zeigen, was ihren Arbeitsalltag ausmacht – und so Imagewerbung für den ganzen Berufsstand betreiben.
Höflich bleiben: Ja, es stimmt: Die sozialen Medien sind (auch) durchsetzt mit Hass, Verleumdungen, Beschimpfungen. Lassen Sie sich niemals zu unbedachten – und geschäftsschädigenden – Schimpftiraden oder Beleidigungen hinreißen. Bleiben Sie sachlich, höflich und professionell.
Geduld haben: Erfolg bei Facebook und Co. kommt nicht über Nacht. Sie brauchen einen langen Atem – und viel Ausdauer.